Monthly Archives: April 2020

„Ein Versicherter kann von der Krankenkasse nicht die Versorgung mit einer Sportprothese beanspruchen, um seinen sportlichen Aktivitäten in der Freizeit noch besser nachgehen zu können“ – so lautete bislang der Leitsatz des BSG, den es mit Entscheidung vom 21. März 2013 (B 3 KR 3/12 R) aufgestellt hatte und der seitdem von den Kostenträgern genutzt wird, um dem Wunsch des Versicherten nach einer Zweitversorgung im Interesse einer erhöhten Aktivität einen Riegel vor zu schieben.

Hier hat das Bayerische Landessozialgericht in einer Entscheidung vom 30. April 2019 (L 4 KR 339/18) nun eine andere Position eingenommen.

Das LSG hält eine Zweitversorgung aus Aktivitätsgründen nicht für grundsätzlich ausgeschlossen, sondern hält hier eine Einzelfallprüfung für nötig, die durchaus zur Beanspruchbarkeit eine solchen Zweitversorgung, wie sie das BSG für den Bereich der wasserfesten Versorgung bereits anerkannt hat, führen kann.

Das LSG stützt dies auf zwei nebeneinander greifende Begründungen.

Zum einen meint das LSG -und sieht sich dabei im Einklang mit der Entscheidung des BSG-, dass jedenfalls dann ein Anspruch auf eine sportprothetische Versorgung nicht ausgeschlossen ist, wenn die Primärversorgung keine sportliche Betätigung ermöglicht. Hatte das BSG, das einen Fall eines einseitig Unterschenkelamputierten zu beurteilen hatte, noch angenommen, dass die dort vorhandene Primärversorgung ausreichend sei, weil mit ihr Schwimmen, Fitnessstudio, Radfahren, Wandern, Tischtennis und Sitzrad möglich waren, hatte das LSG nun den Fall einer Versicherten zu beurteilen, der beide Beine ab dem distalen Oberschenkeldrittel fehlten und deren Ellenbogen und Hände schwere Funktionsstörungen auswiesen. In diesem Fall war lediglich Liegeradfahren, und auch das nur eingeschränkt, ohne weitere Sport- bzw. Aktivitätsversorgung möglich. Dies hielt das LSG nicht für hinreichend, um damit einen Anspruch auf entsprechende Zweitversorgung auszuschließen, und bewilligte diese der Klägerin.

Und zum anderen weist das LSG auf den seit der Entscheidung des BSG geänderten Behinderungsbegriff hin, auf den es für seine Anspruchsprüfung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Alt 2 bzw. 3 SGB V) ankam.

Definiert ist der Behinderungsbegriff in § 2 Abs. 1 SGB IX. Seit Wirksamwerden des Bundesteilhabegesetzes am 1.1.2018 stehen hier nicht mehr die wirklichen oder vermeintlichen gesundheitlichen Defizite im Vordergrund, sondern vielmehr das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe. Die Möglichkeiten einer individuellen und den persönlichen Wünschen entsprechenden Lebensplanung und -gestaltung sollen unter Berücksichtigung des Sozialraumes und der individuellen Bedürfnisse gestärkt werden (so auch BSG, 15.3.2018, B 3 KR 18/17 R).

Vor diesen Hintergrund will das LSG den individuellen Wünschen des Versicherten nach Sport, Bewegung und Aktivität ein größeres Gewicht beimessen, als es noch zu Zeiten der eingangs zitierten grundsätzlichen Entscheidung des BSG gesetzlich vorgegeben war, und kommt so in dem von ihm zu entscheidenden Fall nach individueller Prüfung und Feststellung dieser Wünsche zu einem entsprechenden Anspruch auf Versorgung mit einer Sportprothese.

Die Grenze meint das LSG in der Förderung des Leistungssports zu erkennen, die nicht der GKV unterfalle.

Zusammenfassend lässt sich die These aufstellen, dass mit der Wertung des LSG die Versorgung einer aktivitäts- oder sportprothetischen Versorgung nicht mehr durch Freizeit- oder Vereinssport grundsätzlich ausgeschlossen wird, sondern erst mit der Förderung des Leistungssports. Solange ein Versicherter individuell eine Aktivität ausüben kann und möchte, die ihm mit seiner Primärversorgung nicht zugänglich ist, ist ein Anspruch auf Versorgung mit einer entsprechenden Aktivitätsversorgung denkbar.

Rechtliche Fragen hierzu beantworten wir gern.

Diedrich Wilms

Der Berliner Senat hat durch Beschluss bestimmt, dass die Sanktionen (Bußgeldverfahren) bei Verstoß des Vermieters gegen seine Informationspflichten nach dem Mietendeckelgesetz (MietenWoG Bln) zunächst für 6 Monate ausgesetzt werden können.

Kommt der Vermieter seinen Informationspflichten gegenüber dem Mieter nicht bis zum 23.04.2020 nach, so kann eine ordnungsbehördliche Verfolgung gegen diese Ordnungswidrigkeit für 6 Monate ausgesetzt werden. 

Dies gilt jedoch nur für den Fall, dass die Unmöglichkeit der Informationserfüllung auf die Auswirkungen der Viruskrise zurückzuführen ist. Ist der Vermieter demnach aufgrund der Corona-Krise nicht in der Lage, seine Informationspflichten fristgerecht (bis zum 23.04.2020) zu erfüllen, so kann er nicht wegen dieser Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Krise und Nichterfüllung der Informationspflicht muss vom Vermieter glaubhaft gemacht werden. 

Die Verfolgungsaussetzung gilt nicht pauschal für 6 Monate, sondern nur so lange, wie der Vermieter an der Erfüllung seiner Pflicht gehindert ist.

Für alle anderen Fälle verbleibt es bei der grundsätzlichen Verpflichtung der Vermieter aus dem Mietendeckelgesetz.

Rechtliche Fragen hierzu beantworten wir gern.

Kathrin Schwartz

Vermieter sind nach dem Berliner Mietendeckelgesetz (MietenWoG Bln) bis zum 23.04.2020 verpflichtet, ihren Mietern unaufgefordert Auskünfte über die zur Berechnung der Mietobergrenze maßgeblichen Umstände mitzuteilen, das heißt über die Merkmale, die für die Einordnung in die Mietentabelle gemäß des MietenWoG Bln maßgeblich sind, sowie für etwaige Zuschläge. 

Gleiche Informationspflichten treffen den Vermieter bei Abschluss eines neuen Mietvertrages nach Inkrafttreten des Mietendeckelgesetzes, d.h. seit dem 23.02.2020. Hier müssen die nachfolgenden Informationen dem Mieter vor Vertragsabschluss mitgeteilt werden.

Folgende Auskünfte müssen erteilt werden:

  1. Baujahr des Objektes
  2. Heizungsart
  3. Ausstattung der Wohnung mit Sammelheizung und/oder Bad 
  4. Wohnlage
  5. Anzahl der Wohnungen in dem Objekt
  6. Miete, die zum Stichtag des 18.06.2019 galt (dies gilt insbesondere für Neuvermietungen nach dem 18.06.2019)

Zudem muss mitgeteilt werden, welche 5 Merkmale moderner Ausstattung vorliegen; die Wohnung gilt als modern ausgestattet, wenn 3 der 5 Merkmale vorliegen:

  1. schwellenlos von der Wohnung und vom Hauseingang erreichbarer Aufzug
  2. Einbauküche
  3. hochwertige Sanitärausstattung
  4. hochwertiger Bodenbelag in der überwiegenden Zahl der Wohnräume
  5. Energieverbrauchskennwert von weniger als 120 kWh/(m2a)

Erteilt der Vermieter die Informationen nicht fristgerecht, so handelt er ordnungswidrig und kann mit einem Bußgeld belegt werden.

Zudem kann der Mieter im Wege einer Auskunftsklage seine Ansprüche gegen den Vermieter im gerichtlichen Wege durchsetzen.

Rechtlicher Fragen hierzu beantworten wir gern.

Kathrin Schwartz

Räumungsfristen sind wegen der Corona-Krise mindestens bis zum 30. Juni 2020 zu verlängern.

Das Landgericht Berlin hat entschieden, dass Räumungsfristen aus einem Räumungsurteil „derzeit grundsätzlich bis zum 30. Juni 2020 zu erstrecken oder entsprechend zu verlängern“ sind.

Ein zur Räumung seiner Wohnung verurteilter Mieter hatte vor der Berufungskammer eine Verlängerung seiner für Ende März angesetzten Räumungsfrist auf Juni 2020 verlangt.

Die 67. Zivilkammer des Landgerichts Berlin (Az. 67 S 16/20) gewährte dies und urteilte aus, dass aufgrund der momentan geltenden Eindämmungsmaßnahmen gegen das Coronavirus die Beschaffung von Ersatzwohnraum für den Mieter „überwiegend unwahrscheinlich, wenn nicht sogar ausgeschlossen“ ist.

Kathrin Schwartz

Berliner Senat erlässt Bußgeldkatalog für Verstöße gegen die SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung!

Seit dem 3. April 2020 können bei Verstößen gegen die vom Senat erlassenen Maßnahmen im Kampf gegen Corona Bußgelder verhängt werden.

Für den Fall eines Verstoßes gegen die Maßnahmenverordnung legt der Bußgeldkatalog im Einzelfall einen Bußgeldrahmen fest, wie z.B.

  • Aufenthalt außerhalb der Wohnung ohne triftigen Grund kann mit 10 bis 100 Euro geahndet werden.
  • Wird ein Restaurant geöffnet, so liegt der Bußgeldrahmen von 1.000 bis 10.000 Euro.
  • Die unerlaubte Vermietung von Wohnungen zu touristischen Zwecken liegt zwischen 1.000 und 10.000 Euro.

Link zum Bußgeldkatalog: https://lnkd.in/d6yUqn6

Kathrin Schwartz